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Archiv für den Monat Dezember 2015

Prestel, Joseph Ben. “Gefühle in der Friedrichstraße. Eine emotionshistorische Perspektive auf die Produktion eines Stadtraums, ca. 1870-1910.” sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung 3, no. 2 (2015): 23–42.

Abstract

Dieser Aufsatz untersucht den Zusammenhang zwischen dem Entstehen eines Vergnügungsviertels in der Gegend der Berliner Friedrichstraße und bestimmten Subjektvorstellungen zwischen 1870 und 1910 aus einer emotionshistorischen Perspektive. Er zeigt, wie am Ende des 19. Jahrhunderts das Gehen in der Gegend der Friedrichstraße mit ganz widersprüchlichen Gefühlen beschrieben und dabei von Zeitgenoss_innen mit Vorstellungen von gereizten Großstadtmenschen verbunden wurde. Der Autor argumentiert, dass gerade in der Betonung des konfliktreichen Zusammenspiels von neuem Stadtraum und Subjektformen ein Vorteil der Emotionsgeschichte gegenüber anderen Ansätzen liegt, die riskieren, zeitgenössische Vorstellung von Gefühlen, Subjektivität und räumlicher Homogenität fortzuschreiben.

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Leicht bekleidete Frauen an Straßenecken, Rotlicht, Gewalt und Ausbeutung – diese und ähnliche Bilder gehen momentan immer wieder zum Thema Sexarbeit oder Prostitution durch die Medien. In dieser Arbeit analysiert die Autorin die Problematik einer einseitigen Darstellung im Kontext der moralischen Dimensionen des Diskurses um Sexarbeit. Ziel ist es, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Sexarbeit anzuregen und abseits von Stereotypisierungen die Komplexität der Lebens- und Arbeitssituationen von Sexarbeiterinnen in Deutschland aufzuzeigen.
Aufbauend auf einer empirisch-ethnographischen Forschung in Berlin veranschaulicht die Autorin dabei anhand der Erfahrungswerte von Sexarbeiterinnen, wie sich der moralisierte Diskurs und die damit zusammenhängende Stigmatisierung von Sexarbeit auf den Lebens- und Arbeitsalltag von Sexarbeiterinnen auswirken.
Einen besonderen Schwerpunkt legt die Autorin dabei auf die Beurteilung von Beratungsangeboten aus der Sicht von Sexarbeiterinnen und zeigt in der Kritik von Sexarbeiterinnen an Beratung den weitreichende Einfluss dieses Diskurses auf, der Sexarbeit ausschließlich als gesellschaftliches Problem begreift und Sexarbeiterinnen die Rolle von passiven Opfern zuweist.
Obwohl Sexarbeit und die damit assoziierten Probleme eng mit Fragen um sexuelle Selbstbestimmung, Arbeitsrechte und Migration verbunden sind, wird in gesellschaftlichen Debatten ein einseitiges Bild der vielseitigen Sexindustrie gezeigt, das anhand von moralischen Vorurteilen und Stereotypen Sexarbeit als problembehaftetes gesellschaftliches Randphänomen darstellt.
Aufbauend auf Ihrer Forschung in Berlin zeigt die Autorin dem entgegen die Vielschichtigkeit und Komplexität der Sexindustrie in Deutschland auf. Anhand der Erzählungen von Sexarbeiterinnen veranschaulicht sie verschiedene Facetten des Lebens- und Arbeitsalltags in der Sexindustrie und verdeutlicht dabei, dass auch der moralisierte Diskurs um Sexarbeit und die damit zusammenhängende Stigmatisierung der Tätigkeit die Handlungsmöglichkeiten von Sexarbeiterinnen wesentlich beeinflussen können.
Ein Schwerpunkt der Analyse liegt dabei auf der Auseinandersetzung mit Beratungsangeboten für Sexarbeiterinnen, im Rahmen derer die Autorin der Frage nachgeht, wie Bedarfslagen von Sexarbeiterinnen bestimmt und definiert werden. Auch dabei bezieht sie die Perspektiven von Sexarbeiterinnen auf bestehende Beratungsangebote ein. In der Kritik von Sexarbeiterinnen an Beratungsangeboten wird die Problematik dieses Diskurses deutlich, der Sexarbeit ausschließlich als gesellschaftliches Problem begreift und Sexarbeiterinnen hauptsächlich die Rolle von passiven Opfern zuweist.
Blogbeitrag von Ursula Probst „Stigma, Moral und Zwangsmaßnahmen – Gesundheitsversorgung für Sexarbeiterinnen?“ auf medizinethnologie.net

Grenz, Sabine: Rituelle Dimensionen kommerzieller Sexualität, in:R. Gugutzer, M. Staack (Hrsg.), Körper und Ritual, S. 289-310. 

Sabine Grenz Zusammenfassung In dem Artikel werden Prostitutionsbesuche als Rituale betrachtet. Dies bietet sich an, da Prostitution mit Tabus behaft et ist und daher soziale Grenzen überschritten werden müssen. Auf der Grundlage einer eigenen Studie über heterosexuelle männliche Freier kann geschlussfolgert werden, dass Männer Sex-Arbeiterinnen aufsuchen, wenn sie in Krisen stecken oder Vertragsabschlüsse feiern; auch erleben manche Männer ihr erstes Mal Sex mit Sex-Arbeiterinnen. All diese Momente können als Rituale interpretiert werden, die die Reproduktion normativer heterosexueller Männlichkeit – sowohl als sexuelles Kapital wie als homosoziale Verbünde – beinhalten. Schließlich lässt sich auch eine Ritualstruktur auf Prostitutionsbesuche übertragen, insofern eine Vorbereitungs-, liminale und Angliederungsphase deutlich erkennbar sind. Die Ritualstruktur zeigt, wie der Prostitutionsbesuch einerseits in den Alltag integriert ist, andererseits aber auch etwas Besonderes und Herausgehobenes markiert. In beiderlei Hinsicht geht es um die Reproduktion normativer Männlichkeit.

Johanna Enzendorfer & Vera Scheckenbach: Weibliche Sexarbeit und sexuelle Zweckbeziehungen im Kontext der Wiener Wohnungslosenhilfe, in: soziales_kapital. wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit Nr. 13 (2015).

Abstract

Frauen, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind, versuchen häufig diese schwierige Lebenssituation zu verbergen und begeben sich in die verdeckte Obdachlosigkeit. Das bedeutet, dass sie in prekären, ungesicherten (Miet-)Verhältnissen leben, die auf Abhängigkeitsverhältnissen und/oder Zweckbeziehungen gründen. Das Eingehen einer Zweckbeziehung bringt Frauen in ein starkes Machtungleichgewicht, kann aber auch als selbstbestimmte Bewältigungsstrategie anerkannt werden. In einer Forschungsstudie sollte dargelegt werden, inwiefern Klientinnen der Wiener Wohnungslosenhilfe ihre Sexualität einsetzen, um sich finanzielle und materielle Absicherung zu verschaffen. Konkret geht es dabei um wohnungslose Frauen, die in der Sexarbeit tätig sind, oder sexuelle Zweckbeziehungen eingehen, um ihren Lebensunterhalt abzusichern. Der vorliegende Artikel präsentiert die empirischen Erkenntnisse in Bezug auf weibliche Sexarbeit und sexuelle Zweckbeziehungen im Kontext der Wiener Wohnungslosenhilfe und zeigt Möglichkeiten sowie Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen für Praktiker_innen der Sozialen Arbeit auf.

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